Das Leid der Zirkuselefanten

Angekettet vegetieren immer noch viele Elefanten in erbärmlichen Unterkünften hinter glamourösen Zirkuszelten.

Ihr kurzer, täglicher Einsatz in einer unwürdigen Show als Clowns ist die einzige Abwechslung in ihrem tristen Leben.

Darum fordert ProTier: Keine Wildtiere in Zirkussen!

Von Nathalie Dubois

Seit über einem Jahr tingelt Wendel Huber mit seinen beiden Elefanten Moçamba und Somali durch die Schweiz. Stolz präsentiert er die "gewichtigste Show der Welt", bei der auch drei Bernhardiner "mitspielen". Die komödiantische Nummer degradiert die würdevollen Tiere aus Afrika zu Clowns.

Der allabendliche Auftritt ist das eine, die erbärmliche Unterkunft für den Rest der Zeit das andere.
Die beiden Dickhäuter sind in einem dürftigen Zelt mit Fussfesseln angekettet; gegen vorne ist das Zelt mit einem Strom geladenen Netz gesichert. Die Stosszähne wurden den beiden Elefanten gekürzt, damit sie sich nicht gegenseitig verletzen können. Auch im Stallzelt müssen sie neuerdings durch ein elektrisches Netz voneinander getrennt werden, da Moçamba und Somali seit geraumer Zeit miteinander Streit haben. Kein Wunder: Bei diesen engen Platzverhältnissen werden die Tiere aggressiv.

Von der Wildnis ins Zirkuszelt

So stehen sie also da und machen einen sehr unglücklichen Eindruck - die beiden Wildfänge aus Simbabwe. Seit 1987, damals zwei- und dreijährig, fristen sie hier ihr trauriges Dasein zur unnötigen Belustigung der Zuschauer während der eineinhalbstündigen Show oder der grossen Popcorn-Orgie jeweils zum Schluss der Vorstellung. Sie würden sich ihr Futter wohl lieber selber suchen, auf den kilometerlangen Wanderungen, die Elefanten normalerweise in Freiheit mit ihrer Herde zurücklegen. Natürlich glänzen Kinderaugen, wenn sie einem solch imposanten Tier Popcorn verfüttern dürfen.

Doch der pädagogische Wert ist mehr als fragwürdig, weil die Kinder so den Eindruck erhalten, der grösste Landsäuger der Welt fühle sich wohl in Gefangenschaft. Kinder sollen lernen, dass Tiere Geschöpfe mit ureigensten Bedürfnissen und Ansprüchen sind - und nicht zur Unterhaltung der Menschen herhalten wollen.

Leiden auch in deutschem Zirkus

Noch schlimmer erging es der asiatischen Elefantin Jenny, einem der fünf Elefanten im deutschen Zirkus Barelli. Der Tierrechtler Frank Albrecht hat sich seit Jahren auf Recherchen über die Tierhaltung in Zoos und Zirkussen spezialisiert. Am 18.8.2002 verfasste er ein Tierschauprotokoll anlässlich eines Gastspieles des Zirkus Barelli im deutschen Esslingen (Zell), in dem er den schlechten Gesundheitszustand von Jenny festhält: "… machte einen sehr geschwächten und instabilen Eindruck, bewegte sich kaum. Stark angeschwollener Unterkiefer, der während der Tierschau massiv gekühlt wurde. Zudem eine starke Verletzung (Risswunde etwa 10 cm) an der linken Schläfe …".

Fragende Besucher erhielten von einer Dresseurin die Antwort, Zahnwechsel hätten zur Schwellung und Vereiterung geführt. Jenny werde bereits ärztlich betreut, sie habe Spritzen von einem Zootierarzt aus Stuttgart erhalten.

Etwas anders hörte sich die Version eines weiteren Zirkusmitarbeiters an: Jenny werde eines Kreislaufkollapses wegen behandelt. Während einer Vorstellung habe sie sich dreimal gedreht und sei dann einfach zusammengebrochen und liegen geblieben. Jenny sei sehr krank und habe aufgrund eines Geschlechtstumors öfter solche Kreislaufschwächen. Sie werde nun von einem Tierarzt aus Berlin mittels Akupunktur behandelt, was zu besagter Anschwellung und Endzündung geführt habe. Laut Tierarzt sei dies aber normal.

Langeweile und Hilflosigkeit

Ausser "Baby" durfte in Esslingen keiner der Elefanten auftreten. Julina, Sharon und Lubni waren den ganzen Tag angekettet - bis auf eine 5-Minuten-Dusche. Sie hatten keine zusätzliche Bewegung (Auslauf/Paddock), wie es die neue deutsche Zirkusleitlinie verlangt.
Sharon und Julina waren jeweils an drei Beinen angekettet, teils ohne die geforderten Schutzpolster. Auch hierfür zwei verschiedene Begründungen: Julina und Sharon hätten die Schwächung von Jenny erkannt und seien ihr gegenüber sehr aggressiv (Rangkämpfe). Daher hätten sie auch keinen Zugang in den Aussenauslauf, das Gefahrenpotenzial sei zu hoch. Aggressiv?
Zum Zeitpunkt des Besuchs von Frank Albrecht waren Julina und Sharon Jenny gegenüber sehr fürsorglich. Sie tasteten immer wieder behutsam ihren Unterkiefer ab.
Es machte eher den Eindruck, sie seien hilflos und besorgt. Vielleicht wollten sie Jenny durch ihr Verhalten einfach nur beschützen. Das passt auch besser zur zweiten Version: "Julina will nicht ohne Jenny arbeiten und ist daher sehr aggressiv."

In Ketten tot zusammengesackt

Die leidende Jenny wurde in ihrem extrem schlechten Krankheitszustand noch mindestens einen Monat von Ort zu Ort gekarrt. Anstatt ihr Ruhe zu gönnen, um wieder gesund zu werden, wurde sie weiterhin dem Transportstress ausgesetzt.

Obwohl dies nicht zulässig ist: "Es ist verboten, kranke oder verletzte Tiere zu befördern oder befördern zu lassen …" (deutsche Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport/1999).
Am 10. September 2002 hatte Jenny keinen Lebenswillen mehr: Sie brach zusammen und starb.
Zu sehr hatten die Schmerzen, verursacht durch die wochenlange Entzündung ihres Unterkiefers, an den Kräften der etwa 30-jährigen Elefantin gezehrt.

Schluss mit dem Zirkus um Wildtiere

Die beiden Beispiele sind leider keine Einzelfälle. Deutlich zeigen sie einmal mehr die Absurdität, Wildtiere für Unterhaltungszwecke zu halten. Darum fordert die Schweizerische Gesellschaft für Tierschutz/ProTier die rasche Abschaffung der Wildtierhaltung in Zirkussen.
Denn unter solchen Umständen können Wildtiere keinesfalls artgerecht gehalten werden.
Die viel zu engen Platzverhältnisse und der dauernde Umzug von einer Stadt zur anderen bedeuten Dauerstress. Und das Lernenmüssen von Kunststücken ist schlicht eine Demütigung der Kreatur. Tierfreunde sollten dieses Leid nicht unterstützen - und alle Zirkusvorstellungen mit Wildtieren boykottieren.

Weitere Informationen zur Problematik der Elefantenhaltung in Zoos und Zirkussen finden Sie unter http://www.elefanten-schutz-europa.de/index.htm