Das neudeutsche Lehnwort 'Holocaust' ist eine Zusammensetzung aus griechisch 'holos' in der Bedeutung 'ganz, total' und dem lateinischen Verbaladjektiv 'caustos' - 'angebrannt' (griech. 'kaio' - brennen).
Holocautaio/in bedeutet im Griechischen 'Brandopfer darbringen', in der ursprünglichen religiösen Bedeutung eines Tieropfers, das auf einem Altar als sakrales Opfer verbrannt wurde.

Seit dem 12. Jahrhundert ist es auch im Kirchenlateinischen in der Form 'holocaustum' belegt. Von hieraus fand dieser religiöse Terminus Eingang ins Französische, übersetzt mit 'brulé toute entier' - gänzlich verbrennen. Über das Französische kam 'holocaust' ins Angelsächsische.
Seit dem 17. Jahrhundert erfuhr der Begriff einen Bedeutungswandel, indem er nun den Feuertod von Menschen bezeichnete (vgl. The Merriam-Webster Pocket Dictionary New York 1958: 'holocaust': destruction by fire, esp. of many persons).

In der gehobenen französischen Umgangssprache bedeutete 'holocauste' neben 'Sühneopfer' auch 'sich aufopfern' (in Verbindung mit einem Verb).

In seiner heutigen Bedeutung läßt sich das Wort 'Holocaust' mit 'Massenvernichtung' übersetzen, bleibt aber ohne Subjektbenennung neutral.

Die einmalige Katastrophe der Vernichtung der Juden während der Herrschaft des Nationalsozialismus, die viel umfassender war als nur ein "Feuertod vieler Personen" , ist in dem Wort somit nicht enthalten.

In deutschen Duden und Fremdwörterbüchern war 'Holocaust' vor 1979 ein unbekannter Terminus, der sich in der deutschen Schrift- und Umgangssprache erst verbreitete, nachdem die vierteilige amerikanische Fernsehsendung mit dem Titel 'Holocaust' im Januar 1979 im Dritten Programm aller ARD-Anstalten ausgestrahlt wurde. Die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte vorab dazu eine Dokumentation unter dem Titel "Materialien zu einer amerikanischen Fernsehserie über die Judenverfolgung im "Dritten Reich", W. van Kampen (1978), die an Schulen und Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung verteilt wurde.

Bis dahin im Deutschen unbekannt, ist 'Holocaust' seither ungeprüft auf seine Kongruenz in den deutschen Sprachgebrauch übernommen worden und wird inzwischen mit erstaunlicher Ausschließlichkeit als Synonym für "Judenvernichtung" gebraucht.

Im angelsächsischen Sprachraum dagegen werden weiterhin entweder 'genocide' - Völker-, Rassenmord; und 'annihilation' - 'Auslöschung, Vernichtung' für die Massenvernichtung von Völkern, auch der europäischen Juden während der Hitler-Diktatur, verwendet.

Während das bis dahin gebrauchte Symbolwort 'Auschwitz', ein Ortsname stellvertretend für die anderen Vernichtungslager, assoziativ noch einen deutlichen Zusammenhang zur Vernichtung von jüdischen Menschen herstellte, ist mit der Einführung des Begriffs 'Holocaust' ein Codewort entstanden, das die kausale Kette zwischen Tat und Benennung der Opfer unterbricht.

Wie ein hermetischer Block schließt das fremde Wort/Fremdwort das Geschehen, das unaussprechliche Grauen ein, ohne die Spur einer emotionalen Assoziation zu erzeugen. Im Hegelschen Sinne wird das Grauen in einem unzugänglichen Begriff aufgehoben.

Das althebräische 'ha-shoa' bedeutet dagegen 'Heimsuchung, Vernichtung, Katastrophe (vgl. AT Jes.10,3), hier bilden Wort und Wortsinn eine Einheit.